Interview mit Julia — eine Jugendliche von LOOP@home
Beziehung als Chance zur Verselbständigung
Interview mit Julia Brandt* 18 Jahre, die seit zwei Jahren an der Verselbständigung LOOP@home teilnimmt. (* Name und Foto wurden auf Wunsch geändert)
Wie sind Sie zu LOOP gekommen?
Ich lebte zuvor in einer Wohngruppe für Jugendliche und dort kam es zu einem Wechsel des Bezugserziehers und andere Mitbewohner verließen die Gruppe. Deshalb hat es mir dort nicht mehr gefallen. Ich wollte dann aus der Gruppe raus, denn irgendwie war das ganze Umfeld nicht mehr so meins und dann habe ich gegoogelt was es für Träger gibt, hab mich ein bisschen schlau gemacht und dann habe ich einfach mal ein paar Bewerbungen und E‑Mails geschrieben. Dann habe ich mir auch verschiedene Sachen angeguckt, verschiedene Einrichtungen und hier hat es mir von Anfang an am besten gefallen.
Was haben Sie gedacht, als Ihnen der Platz, die Wohnung angeboten wurde?
Das war cool und schon ziemlich das, was habe ich mich vorgestellt habe — ja, von der Atmosphäre her, sehr gut auf jeden Fall. Und ich fühlte mich gut aufgenommen. Ich habe mich sicher gefühlt, denn ich hatte und habe ja eine Ansprechpartnerin, die Betreuerin. Mit der kann ich reden und mit der kann ich Dinge besprechen und mich beraten, und ich bin ja nicht komplett allein.
Wie haben ihre Freundinnen und Freunde reagiert?
Ich bin ja mit 15 weggezogen, was ja eigentlich relativ früh ist und sie waren alle überrascht, dass das in so einem Alter schont geht. Viele haben auch gar nicht damit gerechnet, haben gedacht, dass ich da so einfach weiter wohnen bleibe ich der Wohngruppe. (Die Einrichtung der Jugendhilfe, in der Julia B. davor gelebt hat.)
Wie haben ihre Eltern, ihre Familie reagiert zu Beginn, heute?
Meine Mutter, die hat ja auch mitbekommen, dass ich nicht mehr so zufrieden war in der Wohngruppe und dass es mich dort irgendwie bisschen genervt hat. Sie hat zugestimmt, war aber nicht so begeistert. Heute sagt sie, dass es der richtige Schritt war, dass ich eine gute Entwicklung gemacht habe.
Könnten Sie bitte den Unterschied beschreiben von Beginn bis heute: Was hat sich bei Ihnen am meisten verändert und wäre diese Veränderung auch ohne dieses Angebot passiert?
Zuerst würde ich sagen, dass ich empathischer geworden bin. Ruhiger, mehr an mich glaube, Dinge nicht mehr so negativ sehe. Ich kann vieles mittlerweile aus einem anderen Licht sehen als vorher, ich kann nicht vielmehr in andere Menschen hineinversetzen oder einfach auch Situationen aus verschieden Perspektiven sehen. Ich habe viel mit meiner Betreuerin dazu gesprochen und gearbeitet. Ich denke ohne LOOP hätte ich das so nicht hin bekommen.
Welche Themen haben sie in der Zeit bearbeitet?
Ich würde sagen, eindeutig an meinem Selbstbewusstsein, ich habe heute deutlich mehr Selbstvertrauen als vorher, ich habe meinen Charakter ein bisschen geformt und an meiner Persönlichkeit gearbeitet. Ich kann mich weitaus besser ausdrücken als früher.
Wie sind sie mit dem „Alleinsein“ klargekommen?
Ja. Alleinsein war schon schwierig, zumindest am Beginn. Es hat positive Seiten und auch negative. Ich habe mit meiner Betreuerin zusammen Methoden ausprobiert damit klar zu kommen und sich damit auseinanderzusetzen. Irgendwie Freunde einladen, dass man nicht alleine ist, unter Freunde zu gehen, telefonieren über seine Gefühle sprechen. Das auch mal aushalten. Mit jemandem darüber sprechen. Ich habe gelernt, darüber zu sprechen, dann ist man nicht mehr so allein. Das weckt Verständnis für die Situation. Ist ja auch ganz nett, wenn keiner da ist, wenn man nach Hause kommt. Es ist aber auch keiner da, das ist die andere Seite. Ich habe Dinge für die Schule getan und bin echt kreativ. Heute macht es mir nur selten noch was aus.
Welche Bedeutung kommt der Betreuerin zu?
Ich hatte eigentlich von Anfang gemerkt, dass ist eine Person, der ich vertrauen kann, die ist ok. Mit der kann ich über Probleme aus allen Bereichen reden und sie gibt mir sehr viel Sicherheit. Was die Wohnung angeht und ich wusste immer da gibt es jemanden, der ist da und steht an meiner Seite und hilft mir. Das war schon sehr, sehr wichtig für mich. Sie ist ungemein wichtig, sonst vergräbt man sich immer wieder, wenn Problem auftauchen.
Welche Rolle hat sie bei Ihnen eingenommen, übernommen?
Das weiß ich nicht so genau. Verschiedene denke ich: Freundin, Erzieherin, Beraterin, Mahnerin, Kritikerin, Mentorin, Mediatorin, Mutterersatz, Anleiterin, Expertin, Innenarchitektin, Köchin. Sie hat mir zugehört, mir Beziehung angeboten. Sie hat mir den Spiegel vorgehalten, hat mir andere Perspektiven nähergebracht. Sie hat mit mir Methoden eingeübt ruhiger zu werden, mit mir gestritten, sich wieder versöhnt. Manchmal hat sich auch um die Versorgung gekümmert.
Wie würden Sie die „Angebot“ beschreiben, was sie da angenommen haben bei LOOP?
Die Möglichkeit in einem sicheren Rahmen in Beziehung zu einem Vertrauten mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln zu entwickeln und Probleme mit sich selbst besser anzugehen, damit man nicht immer wieder von Ihnen eingeholt wird. Dinge auszuprobieren und dann, wenn sie nicht so gelingen, es neu zu versuchen.
Ausblick: Unvermeidlich: Welchen Plan haben Sie für Ihr Leben nach der Jugendhilfe?
Zuerst will ich mein Abitur machen, dann habe ich vor irgendwie ins Ausland zu gehen und mich selber ein bisschen zu verwirklichen sage ich mal. Dann vielleicht irgendwann mal das Studium auch ganz entspannt, aber wenn ich das überhaupt machen will, aber da bin ich mir noch unschlüssig.
Wobei würden Sie sich auch nach der Beendigung noch Unterstützung wünschen?
Ich hätte gerne noch einen Ansprechpartner. Ich bin ja auch nur noch relativ jung und auch bei den ganzen formalen und formellen Sachen kenn ich mich noch nicht gut genug aus. Dann finde ich es gut immer wieder zu reflektieren, wie Dinge gelaufen sind. Und einfach jemanden anzurufen, dem man vertraut und der das Leben schon ein wenig mehr kennt.