Was es bedeutet eine ‘Profi-Familie’ zu sein

Einblicke in das Leben einer SPLG (= sozialpädagogische Lebensgemeinschaft)
Einen Einblick in den (Arbeits-)Alltag unserer sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft zu gewähren, ist gar nicht so einfach.
Was macht das Zusammenleben aus? Was ist anders und besonders (wertvoll)?
Unsere (Patchwork-)Familie hatte sich entschieden einem jungen Menschen einen festen Platz in unserem System anzubieten. Sich aufeinander einzulassen, kennenzulernen, Grenzen neu zu verhandeln oder zu setzen, Andersartigkeiten anzunehmen und wertzuschätzen, einen positiven Entwicklungsrahmen zu schaffen, miteinander und voneinander zu lernen- all das und noch viel mehr prägt seit nun fast acht Jahren unseren Alltag. Ist es ein emotionales Abenteuer für alle Beteiligten? Ist es eine Herausforderung für die pädagogischen Fachmenschen? Ich würde mit einem klaren JA (!) antworten.
Ich erinnere mich noch sehr gut an unseren ersten gemeinsamen Urlaub mit unserem Pflegekind.
Wir kannten uns nun schon ein Jahr und das Zusammenleben hatte sich aufeinander eingespielt. Quasi waren wir schon ein Stück als neue Familie zusammengewachsen. Der „Problemrucksack“, welchen unser neues Familienmitglied mitgebracht hatte, schien uns recht bekannt und war im Alltagsleben gut händelbar. Von der Vorstellung getragen nun einer entspannten und für alle bereichernden Urlaubszeit entgegenzusehen, starteten wir. All das was unserem Pflegekind die Sicherheit gab, um sich in unserem Familienleben zurechtzufinden, sich zu entspannen und Entwicklung ermöglichte, war ab dem Zeitpunkt der Ankunft in dem Ferienhaus vakant. Alles anders und alles neu, der gewohnte Rahmen war verschwunden und versetzte unser Pflegekind somit in einen Ausnahmezustand.
Vor allem das Fehlen der feste Essenzeiten oder ein Picknick als Ersatz fürs warme Mittagessen, um nur zwei Punkte zu nennen, stellten eine besondere Herausforderung dar. Alles drehte sich nur noch um die Frage, wann und wo werden wir etwas Essen und was wird es genau sein. Wir als Eltern und Fachmenschen verstanden die Not die sich dahinter verbarg und suchten nach der passenden Lösung. Des Rätsels Lösung war ein Proviantrucksack, den unser Pflegekind selbst befüllte und bei jedem Ausflug mit sich trug. Dies gab die Sicherheit zu jederzeit Nahrung zur Verfügung zu haben und entspannte die Gesamtsituation (für alle Familienmitglieder) um ein Vielfaches. Der Urlaub konnte im „zweiten Anlauf“ beginnen und ist uns in positiver Erinnerung geblieben.
Hatten wir uns das Unterfangen „Urlaub“ leichter vorgestellt? Mit Sicherheit!
Rückblickend haben wir alle, ohne Ausnahme, etwas in dieser Zeit gelernt und Positives mitgenommen.
Ist dieses Beispiel auf unser Alltagsleben zu übertragen? Unbedingt, denn das Verstehen (ohne immer einverstanden zu sein) und eine lösungsorientierte Haltung, machen einen Großteil des (Arbeits-) Lebens mit einem Pflegekind aus.
An dieser Stelle könnten noch sehr viele Herausforderungen aus unserem Zusammenleben niedergeschrieben werden und sie alle würden sich um den Umgang mit ihnen drehen, doch das Wichtigste würden sie nicht in Gänze zum Ausdruck bringen. Eine (Pflege-)Familie zu sein, bedeutet eine Wahlfamilie zu sein. Ein Ort zu werden, wo das Miteinander und Füreinander großgeschrieben wird. Wo Toleranz und Akzeptanz gelebt wird. Wo durch Reibung Wärme entsteht!